Hier leben

Jetzt ist es ein Haus

Eigentlich fängt es schon an, wenn wir über die alte Brücke, die Puente de la Malena, kommen, den unbefestigten Weg hinauf zur Finca holpern; Wilfried kennt inzwischen jede Fahrrille, jeden rausstehenden Fels und Schlagloch und schafft es, das alte Auto gekonnt an allen Hindernissen vorbeizulenken, so dass wir mit leichtem Schwung oben ankommen. Der Entschleunigungsprozess hat begonnen.

Google Wetter hatte bewölkt mit Schauern im Raum Salamanca angezeigt, aber seit Mitte
September ist es zwar nachts und morgens recht kalt, doch gegen 10:30 Uhr hat die Sonne die umliegenden Berge überwunden und scheint auf die halb überdachte Terrasse. Hier frühstücken wir jeden morgen, nachdem Wilfried den schönen Bollerofen in der Ecke – den Luca für uns gebaut hat – angefeuert hat und dann machen wir uns an die verschiedenen Arbeiten der kreativen oder weniger kreativen Art. Wenn Handwerker gekommen sind (wir haben inzwischen gelernt, dass „manana“ nun wirklich nicht „morgen“ heißt, sondern irgendwann mal – später) gibt‘s nochmal eine Runde Kaffee für alle und viel wird besprochen, was gemacht werden sollte. Seltsam, alles scheint nicht ganz so tragisch, langsamer, aber am Ende doch effektiv und so ist während der
Sommermonate alles gut voran gegangen. Solarstrom ist da, aber nicht durchgängig. Das bedeutet, Waschmaschine nur über Mittag anstellen, weil da die meiste Sonne ist, aber bitte nicht mit dem Toaster zusammen. Eines der geflügelten Worte für Dinge, die anders als erwartet, also nicht ganz so gut geworden sind ist „rústica“. Die Dielen knarren, der Boden ist uneben, der Balken hat zu viel Farbe abbekommen. Das ist eben „rústica“.
Die Bauern aus den umliegenden Dörfern, die ihre Kühe, Pferde oder auch Ziegen auf Weiden hier in der Nähe stehen haben, hupen, bleiben kurz stehen. Zipri möchte, dass das gestaute Wasser vom Bach, das den Berg herunter in unsere Zisterne fließt, jetzt mal auf seine Weide umgeleitet wird und die Männer gehen los und sorgen dafür..
Die Ernte ist erstaunlich, es gibt unendlich viele Tomaten und ich püriere und friere ein für Suppen und Soßen. Zucchinis reiben, braten, blanchieren; Bohnen sind geerntet. Soll ich mich nochmal mit Einkochen beschäftigen anstatt Einfrieren? Wäre sicher besser für den Fall, dass eine Kühltruhe ausfallen könnte. Ich denke, das mach ich.
Manolo kommt vorbei, weil gestern morgen sein bildschöner Bulle entlaufen war bis in unseren Garten und dort ungefähr 20 Salatköpfe, Möhren, Zwiebeln und was ihm sonst noch schmeckte, gefressen hat. Wilfried versuchte, ihn mit einer Stange zu vertreiben, ließ es aber doch lieber bleiben, nachdem „el Toro“ heftig mit den Hufen scharrte und schnaubte. Naja, also kein Salat mehr für uns in den nächsten Wochen. Dafür hat er uns seinen Dünger hinterlassen.
Nach ca. 14 Uhr, Siestazeit, wenn alles still ist, Walnüsse sammeln. Wann sind sie richtig und reif? Könnte nachschauen, hab aber keine Lust auf Internet und probier es lieber aus. Geht nur in grüner Schale oder darf sie auch schon braun sein? Wir werden es erfahren.
Wir hören seit Wochen keine Nachrichten (wer ist nochmal Donald Trump?) Welches Datum ist heute?
Letzte Nacht waren Wildschweine direkt an der Mauer unter uns, die laut grunzten. Fressen Wildschweine Walnüsse? – auf jeden Fall Kastanien, die gibt‘s ja jetzt auch. Weil alles so still ist, sind die Geräusche der Nachttiere so klar zu hören, die Käuzchen oder Eulen und der Sternenhimmel scheint näher als zu Hause. Fast überkommt mich ein leichtes Bedauern, dass die Toilette jetzt funktionstüchtig ist, so dass das Hinaustreten sicher weniger wird. Ja,  Bequemlichkeit hat eben ihren Preis.
Ich überlege, ob ich doch mal den Computer anmachen und damit die Welt hereinlassen soll. Vielleicht morgen, mal sehen….